Rot-Rot-Grün - Alternative oder politischer Irrweg ?

Veröffentlicht am 02.11.2014 in Allgemein

Rot-Rot-Grün
Eine Alternative oder ein politischer Irrweg?


Stammtisch der Jusos Hechingen/Haigerloch am 02.11.14

Allgemeines

In Deutschland versteht man unter Rot-Rot-Grün eine Regierungskoalition zwischen
SPD, der Partei Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Ein solches Bündnis
existiert bisher weder auf Bundesebene noch in einem der deutschen Länder,
wurde jedoch bereits mehrfach erwogen.

Im Anschluss an die Landtagswahl in Thüringen am 14. September 2014 sprach sich der
Parteivorstand der SPD Thüringen für eine von Bodo Ramelow (Die Linke) geführte Rot-
Rot-Grüne Koalition aus. Yasmin Fahimi, Generalsekretärin der Bundes-SPD, schließt
eine solche Koalition auf Bundesebene derzeit aus.

"Solange die Linkspartei nicht klärt, was für eine Partei sie ist, kann man mit
ihr nicht regieren " - Sigmar Gabriel (SPD)

"Ich will nicht wöchentlich in mich hineinhorchen, ob ich noch eine
Mehrheit habe.“ - Peer Steinbrück (SPD)

"Eine Linkspartei, die außenpolitisch nicht zuverlässig ist, mit der können wir
uns keine Zusammenarbeit vorstellen" - Katrin Göring Eckardt (Die Grünen)

 

Im Land und in den Kommunen

Bereits nach der thüringischen Landtagswahl 2009, der Landtagswahl im Saarland 2009
und der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 wurde eine Rot-Tot-Grüne Koalition
erwogen. Zudem gab es von 1994 bis 1998 in Sachsen-Anhalt (Kabinett Höppner I) und
von 2001 bis 2002 in Berlin (Senat Wowereit I) rot-grüne Minderheitsregierungen, die von
der PDS (jetzt Die Linke) toleriert wurden.

Im Bundesland Berlin bildeten SPD und Linkspartei nach der Wahl zum
Abgeordnetenhaus im Jahre 2006 erneut eine gemeinsame Regierung, die sich auf eine
absolute Mehrheit der Stimmen der Parlamentarier beider Parteien im Abgeordnetenhaus
stützen kann.

Auf kommunaler Ebene arbeiten SPD, Linke und Grüne seit der Wahl 2009 in Erfurt eng
zusammen und regieren die Stadt gemeinsam.

Zurückhaltung auf Bundesebene

Rein rechnerisch hat die politische Linke (SPD; LINKE; BÜNDNIS90/Die Grünen) bei der
Bundestagswahl 2013 eine Mehrheit der Mandate im Bundestag erreicht. Ein Bündnis
Links der Mitte erfolgte jedoch nicht, weil die Parteien zu einem solchen Politikwechsel
jedenfalls im Bund weder willig noch fähig waren. Nicht zum ersten Mal in den letzten
Jahren stehen wir vor einem politischen Umbruch, der möglich ist, aber nicht eintritt.
Nach dem Verlust der rot-grünen Mehrheit im Deutschen Bundestag durch die
Bundestagswahl 2005 hätte ein rot-rot-grünes Bündnis über eine absolute Mehrheit von
327 Sitzen verfügt. Da es jedoch vor der Wahl eindeutige Aussagen von SPD, Linkspartei
und Grünen gab, die eine derartige Koalition ausschlossen, fiel diese Koalitionsvariante
auch bei koalitionstheoretischen Erwägungen aus dem Raster.

Sowohl in der SPD als auch in der Linken bestehen teilweise erhebliche parteiinterne
Bedenken gegen ein entsprechendes Regierungsbündnis. So äußerte Oskar Lafontaine
(Die Linke) im Bundestagswahlkampf 2005, eine rot-rot-grüne Koalition scheide aus.
Hinzu kommen persönliche Abneigungen insbesondere sozialdemokratischer Politiker
gegenüber Führungskräften der Linkspartei wie beispielsweise dem ehemaligen SPDVorsitzenden
Oskar Lafontaine. Auch auf Seiten der Partei Bündnis 90/Die Grünen
bestanden laut Parteichefin Roth 2005 inhaltliche Differenzen zur Linken in einem Maße,
das allein bereits ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene schwierig
mache.

Nach der Bundestagswahl 2013 erklärte die neu gewählte Fraktionsvorsitzende der
Grünen Göring-Eckardt ihre Bereitschaft zu rot-rot-grünen Sondierungsgesprächen. Der
SPD-Vorstand erklärte im November 2013, während der Koalitionsverhandlungen mit der
CDU, seine Bereitschaft zur Bildung von zukünftigen rot-rot-grünen Koalitionen.

Neue Zeiten verlangen nach neuen Bündnissen

Die Inhalte stimmen

Am Ende braucht die SPD Koalitionspartner, mit denen sie möglichst viel
umsetzen kann. In ihren Wahlprogrammen sind sich SPD, Grüne und Linke in
vielen Punkten einig.

Lafontaine

Lafontaine, der vielen Sozialdemokraten noch immer als Verräter gilt, hat die
erste Reihe der Linken verlassen. An der Spitze der Partei steht mit Gregor Gysi
ein Pragmatiker. Einen gemäßigten Kurs vertreten auch die Vorsitzenden Katja
Kipping und Bernd Riexinger, die seit Monaten den Annäherungskurs an die SPD
vorantreiben.

Die Linken können regieren

SPD-Chef Gabriel hält die ostdeutschen Pragmatiker prinzipiell für
koalitionsfähig. Pragmatisch geprägt sind die Ost-Linken wohl vor allem durch
ihre Regierungserfahrungen. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-
Vorpommern und Berlin gab es rot-rot geführte beziehungsweise tolerierte
Landesregierungen.

Linke ausspielen

Im nüchternen Regierungsalltag würde der Linken eine Zerreißprobe
bevorstehen, vermutlich mit positivem Effekt für die SPD. So verloren die Linken
im Laufe ihrer Regierungserfahrungen häufig an Zuspruch. In Berlin rutschen sie
zwischen 2001 und 2006 von 22,6 auf 13,4 Prozent. In NRW flogen sie nach den
Neuwahlen aus dem Landtag. Unter dem Eindruck der rot-roten
Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern brach die Partei von 24,4 auf 16,4
Prozent ein. Die oppositionsgetränkte Protestpolitik der Linken ließe sich wohl
kaum besser entzaubern, als wenn man sie zur Abwechslung mal mitregieren
ließe.

Die einzige Alternative

Die Zeiten einer 40% Partei scheinen für die SPD vorbei zu sein. Eine Rot-Rot-
Grüne Koalition scheint die einzige Alternative zur großen Koalition zu sein.

Argumente gegen Rot-Rot Grün

Drei Parteien-Koalition

Eine Drei-Parteien-Koalition wurde auf Bundesebene noch nie probiert. Das spricht
für einen gewissen Risikofaktor und macht die Konsensfindung mit Sicherheit
komplizierter.

Fehlender Konsens

Die LINKE ist auf einigen Gebieten tatsächlich nicht wirklich konsensfähig. Ihre
Haltung zu den Hartz-Gesetzen und zu Auslandseinsätzen ist mindestens
ambivalent, und es ist äußerst schwierig abzuschätzen, ob alle oder auch nur fast
alle LINKE-Abgeordnete im Zweifel ihrer Fraktionsführung folgen würden, wenn
diese mit Rot-Grün koalierte, wo beide Gegenstände grundsätzlich nicht
verhandelbar sind (in den Details natürlich, aber eine kategorische Ablehnung ist
nicht zu machen).

Standpunkte des Instituts für Solidarische Moderne* 

„Rot-Rot-Grün gerne, wir sind aber noch nicht bereit dazu!“

Erstens: 
Es fehlt, wie gesagt, ein gemeinsames linkes Projekt.
Der anstehende, unausweichlich nötige sozial-ökologische Umbau einer über
Jahrzehnte hinweg neoliberalisierten und entdemokratisierten Wachstumsgesellschaft
mit dem Ziel einer solidarischen Moderne.
Nicht nur die ausgearbeitete Programmatik fehlt. Es fehlen auch die griffigen
Formeln, die positiven Symbole und nicht zuletzt das politische Personal,
um die notwendige gesellschaftliche Zustimmung zu mobilisieren.
Die 2013 präsentierte rot-grüne Option ist vor allem eines gewesen: eine
notdürftig wiederbelebte Neuauflage jener politischen Konstellation, deren
Erstauflage im Bund am Ende linke Reformprojekte unglaubwürdig gemacht
hat.

Zweitens: 
Das von Merkel und den Massenmedien augenscheinlich abgelegte
Schweigegelübde über die wahren Nutznießer der deutschen – und damit
europäischen Krisenpolitik kann angesichts ihrer existenziellen Bedeutung
für hunderte Millionen Menschen in Europa nur als skandalös bezeichnet
werden. Doch nicht weniger bedrückend ist die Tatsache, dass es der
politischen Linken nicht gelungen ist, eben dieses konspirative Schweigen zu
politisieren.
Skandalös ist es, wenn die politisch Verantwortlichen verschweigen, dass die
relative Krisenresistenz der deutschen Wirtschaft und die damit gegebenen
Möglichkeiten der Wohlstandssicherung in Deutschland auf Kosten und zu
Lasten anderer europäischen Gesellschaften und ihrer Bürger gehen.

Drittens:
Zudem bedarf es zur Realisierung dieser Option einer Öffentlichkeit,
die sich auf der Höhe der gesellschaftlichen Herausforderungen und der
eigentlich anstehenden politischen Auseinandersetzungen befindet. Eine
mediale Öffentlichkeit, die sich häufig damit begnügt, tatsächlichen oder
vermeintlichen Wahlkampfmanövern nachzuspüren und parteipolitische
Marketingstrategien zu evaluieren, ist der sichtbare Ausdruck einer in
vielen gesellschaftlichen Bereichen fortschreitenden Entdemokratisierung.

Viertens:
ine breite mediale Front stemmt sich gegen ein linkes Projekt. „Die
Linke“ ist als Partei im öffentlichen Diskurs weitgehend marginalisiert,
die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Alternative wird stets aufs Neue –
und immer wieder erfolgreich – dämonisiert.
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*Rot-Rot-Grüner Think-Tank
Zweck ist die Erarbeitung von gesellschaftspolitischen Ideen und von Handlungskonzepten
im Sinne der allgemeinen und gleichen Menschenrechte und der freiheitlichen
Demokratie auf der Grundlage einer sozialpflichtigen und ökologisch nachhaltigen
Wirtschaftsordnung zur Anregung und Beeinflussung der öffentlichen Meinungs- und
politischen Willensbildung.
Seit Gründung im Jahr 2010 rund 1.500 Mitglieder – darunter zahlreiche MdEP, MdB und
MdL, zudem diverse ProfessorInnen, VertreterInnen der linken politischen Stiftungen,
JournalistInnen und Organisationen wie Pro Asyl, Transparency International, ver.di etc.
Drittens: Parteien und Parteipolitik alleine reichen nicht, um einen gesellschaftlichen
Wandel anzustoßen. Eine gesellschaftspolitische Transformation können
Parteien nicht allein inszenieren, sie muss vielmehr von breiten gesellschaftlichen
Koalitionen getragen werden: von Akteursnetzwerken in Gewerkschaften
und Wohlfahrtsverbänden, NGOs und Bewegungsszene, Kultur und
Wissenschaft.
 

 

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